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Beruf & Bildung

„Wachstum und Zukunft“

„Wachstum und Zukunft“

Rund 67 000 Unternehmen gibt es in Brandenburg, die meisten in den um das Kfz-Gewerbe kreisenden Branchen Handel, Instandhaltung und Reparatur. Rund ein Viertel widmet sich dem Zukunftsthema Ausbildung. Die MAZ sprach darüber mit dem Geschäftsführer Bildung der Industrie- und Handelskammer Potsdam (IHK) Wolfgang Spieß.Welche Bedeutung hat das Thema Ausbildung bei der Bewertung eines Unternehmens?Wolfgang Spieß: Ein vorbildliches Unternehmen sollte Jugendlichen berufliche Perspektiven in der Region bieten. Insofern ist die Ausbildung eines der wichtigsten Kriterien, denn das Thema Qualifizierung bedeutet auch für den Standort Wachstum und Zukunft.

IHK-Bildungsexperte Wolfgang Spieß wirbt um Ausbildungsplätze

Genießt die Ausbildung denn diesen Stellenwert bei den Firmen der Region?

Da gibt es sicherlich noch Potenzial. Denn wir haben in den Unternehmen das demografische Problem der Überalterung, das ohne Ausbildung nicht gelöst werden kann. Fachkräfte fallen nicht vom Himmel. Aber ich habe den Eindruck, dass das Bewusstsein dafür wächst.

Bilden genügend Unternehmen in Brandenburg aus?

Sicherlich gibt es da noch Luft nach oben. Von den knapp 67 000 Firmen mit mindestens einem Beschäftigten im Land bildet gut ein Viertel aus. Das ist höher als der ostdeutsche Durchschnitt von insgesamt 23 Prozent, aber niedriger als der westdeutsche von 30 Prozent.

"Fachkräfte fallen nicht vom Himmel. Aber ich habe den Eindruck, dass das Bewusstsein dafür wächst."

Wolfgang Spieß
Geschäftsführer Bildung der IHK

Welche Gefahren drohen der Ausbildung durch die Corona-Pandemie?

Aktuell ist es natürlich vor allem in der Dienstleistungsbranche – also in Gastronomie-, Veranstaltungs- und Reiseunternehmen – schwierig, Ausbildungsinhalte in der Praxis zu bieten. Da gilt es, Lösungen über Kooperationen zu finden. Ich hoffe natürlich nicht, dass Unternehmen sich ganz aus der Ausbildung verabschieden. Aktuell haben wir bei den neuen Ausbildungsverträgen ein Minus von acht Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum. Das ist ein negatives Signal, aber noch nicht dramatisch.

Welche Möglichkeiten gibt es, gegenzusteuern?

Wir appellieren an die Unternehmen, offene Ausbildungsstellen unbedingt auch in der IHK-Lehrstellenbörse (www.ihk-lehrstellenboerse.de) zu veröffentlichen. Aber wir müssen uns auch insgesamt noch mehr um den Stellenwert der Ausbildung bemühen. Wir versuchen das unter anderem mit dem IHK-Wettbewerb „Top-Ausbildungsbetrieb“, bei dem wir jedes Jahr einige Betriebe verteilt über das Land direkt vor Ort für besonderes Engagement bei der Schaffung attraktiver Ausbildungsplätze auszeichnen.

Worin besteht ein solches besonderes Engagement?

Das wird geprägt durch die Qualität der Ausbildung, die Fähigkeit, auch das Sozialverhalten junger Menschen weiterzuentwickeln, die Bereitschaft, mit den Schulen zu kooperieren und Auslandspraktika anzubieten. Aber auch solche Sachen wie die Unterstützung der Mobilität oder das Angebot etwa von Mietzuschüssen für Auszubildende spielen eine Rolle. Insgesamt geht es darum, die Attraktivität der dualen Ausbildung zu fördern.

Sehr viele Jugendliche streben aber ein Studium statt einer dualen beruflichen Ausbildung an.

Ja, derzeit ist das etwa die Hälfte der Schulabgänger. Hier ist unter anderem der Zusammenhang zwischen Ausbildung und Weiterqualifizierung im Unternehmen wichtig. Junge Menschen gehen in die Ausbildung, wenn man ihnen eine berufliche Perspektive aufzeigt. Da spielt auch die Gleichwertigkeit etwa hinsichtlich der Entlohnung von Abschlüssen eine Rolle. Fachwirte und Meister, die ja weitere Stufen der beruflichen Qualifizierung sind, wurden Anfang des Jahres mit dem im Studium zu erreichenden Bachelor gleichgestellt. Der Betriebswirt ist dem Master gleichrangig. Interview: Gerald Dietz