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Quempas mit langer Tradition

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In Begleitung des Quempas-Gesangs führen Kinder und Jugendliche die Weihnachtsgeschichte auf.                              FOTO: MARCUS J. PFEIFFER

Hip-Hop und Rock zum Fest

Von Marcus J. Pfeiffer   Perleberg. Früh aufstehen heißt es am Morgen des ersten Weihnachtstages, wenn die Glocken der Sankt Jacobi Kirche in Perleberg um 6 Uhr zum traditionellen Quempas-Singen rufen. Jeder ist zu dem jährlichen Beisammensein willkommen. Der Quempas lebt davon und ist darauf angewiesen, dass viele mitsingen. Fast immer bis auf den letzten Platz gefüllt, singen die Gäste aus nah und fern Jahr für Jahr bei der traditionsreichen und historisch bedeutsamen Veranstaltung.Der Quempas ist eine Zusammenstellung von zwei lateinischen Weihnachtsliedern, zumeist mit einer Erweiterung oder einem Refrain. Er ist ein Wechselgesang von vier Chören, die sich auf den Emporen der Kirche verteilen. Die verschiedenen Richtungen, aus denen gesungen wird, stehen für die vier Himmelsrichtungen der Erde. Die Bedeutung ist klar, der ganze Erdkreis besingt die Ankunft von Gottes Sohn.

Szenisches Singspiel zum Weihnachtsfest in der Perleberger Sankt Jacobi Kirche


Während des Gesangs stellen Kinder und Jugendliche der Gemeinde die Weihnachtsgeschichte dar, indem sie kostümiert als Hirten und Könige schweigend durch den Kirchraum zur Krippe gehen, wo Maria und Joseph mit dem Kind in einem Stall auf sie warten. Vorbereitet wird das Programm seit eh und je von engagierten Frauen. Seit 2001 hatte Irmela Czubatinski diese Aufgabe inne und wurde vor zwei Jahren von Petra Eggert unterstützt, die im vergangenen Jahr den Staffelstab und somit die gesamte Organisation übernahm und weiter tatkräftig fortführte.

Bis in das 14. Jahrhundert, mit den Frühmetten am ersten Weihnachtsfeiertag, reichen die Spuren des alten Brauchtums und so nach Angaben von Überlieferungen auch in Perleberg. Es ist schon etwas Besonderes, was Perleberg mit dieser Tradition zu bieten hat, wie man es ähnlich nur noch in Luckau erleben kann. In der Luckauer Sankt Nicolai Kirche wird er seit 1765 gesungen. Denn auch in den sächsischen und schlesischen Gemeinden wird diese Frühmette mit dem Quempas heute noch gefeiert.

Es ist eine Tradition, die der Reformation standhielt. Denn das Besondere gegenüber dem üblichen Weihnachtsspiel ist es, dass die ganze Gemeinde, alle Menschen in der Kirche, in das Quempas-Singen eingebunden werden. So wurde diese Art szenischer Wechselgesang auch mit der Kraft der ganzen Stadt vor vielen Jahren eingeführt und so am Leben erhalten. Interessant ist auch, dass selbst zu DDR-Zeiten der Quempas stattfand, obwohl er so gar nicht ins Bild des damaligen Sozialismus passte.

Die ältesten Quellen stammen aus dem späten 14. Jahrhundert. Die einzelnen Lieder dürften älter sein, ebenso wohl auch der Brauch des Quempas-Singens. Seit dem 16. Jahrhundert sind deutsche Fassungen belegt, am bekanntesten wurde wohl diejenige von Michael Praetorius mit dem deutschen Text „Den die Hirten lobeten sehre“. Das ungewöhnliche Wort Quempas ist die lateinische Übersetzung dieses Liedes. Sie lautet: „Quem pastores laudavere".

Der Brauch des Quempas-Singens schloss außer der ursprünglichen Liedkombination auch weitere Lieder ein und war an vielen Orten ein fester Bestandteil des Weihnachtsbrauchtums, sowohl im Gottesdienst als auch auf Straßen und Plätzen der Städte. Im Laufe der Zeit ist eine Vielzahl an Quempasliedern entstanden und hinzugekommen. Neue Liedkombinationen wurden entwickelt und verbreiteten sich ständig weiter in die Welt hinaus.

Übrigens: Erst Anfang des 19. Jahrhunderts hat man den Quempas auf 6 Uhr morgens verlegt, zuvor riefen die Glocken schon um 1 Uhr nachts zu der traditionellen Veranstaltung. Heute treffen sich viele nach dem Quempas noch zum gemeinsamen Frühstück und feiern so in geselliger Runde gemeinsam den ersten Weihnachtsfeiertag – so auch am 25. Dezember in Perleberg.

Hip-Hop und Rock zum Fest

Weihnachtskonzert mit der Prignitzer Band „Kokas“ in der Moorscheune in Boberow

Im Kerzenschein beginnt ein Solist zu singen: „Den die Hirten lobeten sehre." Nach der ersten Zeile verstummt er und eine zweite Stimme ertönt aus einer anderen Richtung der Kirche und ergänzt den Reim: „... und die Engel noch viel mehre!“ Nachdem insgesamt vier Solisten oder auch vier Gruppen zu hören waren, singen sie die nächste Strophe gemeinsam. Auf diese Weise wird der Gesang langsam lauter. Als Höhepunkt stimmt dann die ganze Gemeinde im Refrain mit ein. So klingt ein traditionelles Quempaslied.

Es wird zweisprachig gesungen, zunächst lateinisch, dann deutsch. Nach jeder der vier Strophen antwortet die Gemeinde in lateinischer Sprache, quasi wie ein Refrain, begleitet von den Bläsern oder der Orgel. Gleichzeitig erstrahlt die zunächst im Morgengrauen dunkle Kirchen vollkommen im Lichterschein der Kerzen.


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Das ganz besondere Weihnachtskonzert in der Prignitz präsentieren die fünf jungen Musiker von „Kokas“. FOTO: MARCUS J. PFEIFFER

Boberow. Alle Jahre wieder rocken die vielen Besucher in der Moorscheune in Boberow am ersten Weihnachtsfeiertag – in diesem Jahr schon zum neunten Mal. Nach den Bands „Beckmaakon“ und „Flüsterlaut“ lädt nun seit zwei Jahren die Prignitzer Band „Kokas“ zu der traditionsgemäßen Veranstaltung immer am 25. Dezember ein.

Mit viel Gefühl kombinieren die jungen Musiker aus der Prignitz Hip-Hop mit Deutschrock und -rap und lassen so eine vollkommen handgefertigte Liveperformance entstehen und das an einem einzigartigem Veranstaltungsort. Irgendwo im Nirgendwo, weitab von den Städten der Prignitz, liegt die Moorscheune in Boberow.

Direkt am Rande des Rambower Moores erfüllten sich Christian und Heide Ebert vor zehn Jahren ihren Lebenstraum: Ein kleines Café auf dem Lande mit vielen Events. Zwei Jahre lang bauten sie eigenhändig an der alten Scheune. Die Verwandlung des alten urigen Hauses zur modernen, aber weiterhin historischen Stätte läuft bis heute.

Die Moorscheune ist ein wahrer Geheimtipp, genauso wie das jährliche Weihnachtskonzert mit „Kokas“. Als Band gibt es die fünf jungen Musiker nun schon seit etwas mehr als zwei Jahren. Neben zahlreichen Coversongs sind auch eigene Hits, wie „Elbdeichhinterland“ in ihren Repertoire. Damit haben sie einen echten regionalen Hit gelandet – es war ihr Durchbruch.

Nun haben „Kokas“ einen neuen Song herausgebracht: „Der Fette von Kokas“, der ironischerweise auf Frontmann Lukas Heller anspielt. Zusammen mit Konrad Ahrendt gründete er die Band. Von ihren Vornamen leitet sich auch der Bandname ab. Ein weiterer Song aus ihren Händen mit dem Titel „Amazon“ parodiert den gleichnamigen Onlineversandhandel.

Auf der Grünen Woche vertraten die jungen Musiker in diesem Jahr ihre Region in der großen Brandenburg-Halle. Für das Landesfest in Wittenberge im August waren sie die Stadt-Botschafter. Es folgen Auftritte im kommenden Jahr zu Ostern am 20. April im Hotel und Restaurant Deutscher Kaiser in Perleberg und ab dem 21. April weitere Konzerte auf der Landesgartenschau in Wittstock/Dosse. mjp