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Bauen und Wohnen

Die Pflanze mit den zwei Gesichtern

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Distelfalter sind oft auf Ligusterblüten zu finden. 

Der Liguster ist eine Pflanze mit zwei Gesichtern. Neben Buchsbaum und Eibe ist der immergrüne Busch eine klassische Wahl für die akkurat gestutzte Schnitthecke. Schon in historischen Barockgärten ist die robuste und wuchsstarke Pflanze anzutreffen. Der Liguster hat aber eine andere Seite. Lässt man ihn frei wachsen, als Strauch oder in einer Wildhecke, kann er bis zu fünf Meter Höhe erreichen. Aber vor allem bildet er im Frühsommer üppige weiße Blüten aus, die bei Insekten beliebt sind. Im Spätsommer und Herbst trägt er schwarze Beeren, die von Vögeln gefressen werden, für Menschen aber leicht giftig sind. Vielen Gartenbesitzern ist das gar nicht bekannt, weil eine regelmäßig geschnittene Hecke nie zur Blüte kommt und auch keine Früchte trägt.

Liguster eignet sich nicht nur für Formhecken, sondern bietet auch üppigen Blütenschmuck

Wahrscheinlich leitet der Liguster seinen Namen vom lateinischen Wort ligare für binden oder flechten ab, weil die Triebe wie Weidenruten zum Flechten von Körben verwendet wurden. Alle Arten von Liguster gehören zur Familie der Ölbaumgewächse. Beliebt sind die Pflanzen unter anderem, weil sie schnell wachsen und sich auch gegen Begleitgehölze wie Ahorne und Birken durchsetzen können. Bei der Neuanlage einer Hecke werden im Herbst oder Frühjahr in der Regel vier bis fünf Sträucher pro laufenden Meter gepflanzt. Die Triebe werden nach der Pflanzung kräftig zurückgeschnitten, damit sie sich gut verzweigen.

Wer die Ligusterblüte erleben will, darf vor allem im Frühjahr nicht schneiden. Dann bilden sich im Juni intensiv duftende, weiße Blütentrauben, die mitunter von Schmetterlingen umlagert sind. Im vergangenen Jahr war an vielen Stellen Brandenburgs ein besonderes Schauspiel zu sehen, wie es sich nur selten ereignet. Es kam, wie der Naturschutzbund Nabu berichtet, zu einem Masseneinflug von Distelfaltern, die in großer Zahl vor allem auf blühenden Ligusterhecken zu beobachten waren.

Der mit bis zu sechs Zentimeter Flügelspannweite relativ große Falter verbringt den Winter im Mittelmeergebiet und überquert im Frühling auf seinem Weg nach Mitteleuropa teilweise sogar die Alpen. Die Ligusterblüten sind bei den Tieren besonders beliebt. Vögel mögen nicht nur die Früchte des Ligusters, sondern bauen auch gerne ihre Nester im dichten Astwerk der Heckenpflanze.

Während der Gewöhnliche Liguster in unseren Breiten auch als Wildform vorkommt, ist in den Gärten meist die Sorte Atrovirens verbreitet, die im Winter das Laub besser hält als die Wildart. Für niedrige Beeteinfassungen ist auch der schwach wachsende Zwergliguster Lodense beliebt. Als Zierpflanze im Garten wird auch der aus Japan stammende Ovalblättrige Liguster verwendet, der in milden Wintern sein Laub hält, es aber bei längerem Frost abwirft. Nicht winterhart ist der Chinesische Liguster, der als Kübelpflanze in frostfreier Umgebung überwintert werden muss. Als Formhecke wird der Liguster meist schon im Februar das erste Mal und im Juni ein zweites Mal geschnitten. Oft wird die Hecke in Trapezform geschnitten, also mit breitem Fuß, nach oben hin aber schmal zulaufend.

Der Liguster ist eine sehr gutmütige Pflanze. So macht es ihm nichts, im einen Jahr stark und im anderen Jahr gar nicht beschnitten zu werden. Es ist auch möglich, eine streng beschnittene Form- in eine freiere und höhere Wildhecke übergehen zu lassen, in der die Pflanzen auch zur Blüte kommen können. Von Ulrich Nettelstroth