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Nach der Schule „irgendwas mit Umweltschutz“

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Simon Geisler begann sein duales Studium mit einer Ausbildung in einem Bio-Landwirtschaftsbetrieb. FOTO: PRIVAT

Kein Abschluss, aber viel Berufserfahrung

Von Claudia BraunIch bin direkt ins kalte Wasser geschmissen worden“, sagt Simon Geisler begeistert. Denn genau das wollte der 19-Jährige, als er im Sommer 2017 in einem kleinen landwirtschaftlichen Biobetrieb seine Ausbildung zum Landwirt begann. Tiere füttern, Kühe melken, käsen, drillen pflügen, ernten, Produkte vermarkten – die Liste ließe sich endlos fortsetzen. Da war es praktisch, für das Jahr gleich auf dem Hof zu leben. Inzwischen ist Simon Geisler, der schon als Kind davon träumte, Landwirt zu werden, wieder in Hörsäalen und bei Vorlesungen anzutreffen – und vermisst die körperliche Arbeit.Aber die lässt nicht ewig auf sich warten, denn der Sachse hat sich für das duale Studium Ökolandbau und Vermarktung an der Hochschule für nachhaltige Entwicklung (HNE) in Eberswalde entschieden, wo praktisch und theoretisch gelehrt wird. „Unsere Studis wechseln in den fast fünf Ausbildungsjahren nur fünf Mal zwischen Hochschule und Ausbildungsbetrieb. Sie haben lange Präsenzphasen im Betrieb und bei uns“, erklärt Sophie Freitag von der HNE, die online den Bachelor-Studiengang bekannter macht.

Ausbildung oder duales Studium Ökolandbau vermitteln notwendiges Fachwissen

So wie Simon Geisler spielen viele Jugendliche und junge Erwachsene mit dem Gedanken, „irgendwas mit Umweltschutz“ machen zu wollen und vielleicht den Klimaschutz beruflich zu betreiben. Relativ neue Ausbildungsberufe wie Umweltschutztechniker sind in Brandenburg noch eher die Ausnahme. Naturbewusste Schulabgänger stoßen dann bei ihrer Recherche auf die sogenannten Grünen Berufe, neben Land- sind das Tier-Fisch-, Pferde- und Forstwirt sowie Gärtner. Doch bieten diese traditionellen Ausbildungsberufe auch ökologische Aspekte?

„Auf jeden Fall“, sagt Gernod Bilke, Referatsleiter Berufliche Bildung beim Brandenburger Landesamt für Ländliche Entwicklung. „Es handelt sich um ein Vorurteil, dass zum Beispiel angehenden Landwirten nur der konventionelle Betrieb beigebracht wird.“ Zunächst einmal gelte es, die fachlichen Grundlagen zu erlernen. Geht es etwa um die Bodenfruchtbarkeit, dann liege es später an jedem selbst, ob das Erdreich komplett ausgebeutet oder konventionell oder ökologisch bewirtschaftet wird. Diesen Spielraum haben auch Absolventen der anderen Grünen Berufe. Ob ein Forstwirt auf heimische Hölzer setzt und ein Fischwirt verantwortungsbewusst mit dem Bestand umgeht – zunächst muss das Fachwissen da sein, um umweltfreundliche Entscheidungen überhaupt treffen zu können.

„Verfahren wie vor 50 Jahren kann sich keiner mehr leisten“, gibt Bilke zu bedenken. Verbraucher wünschen sich ein Mindestmaß an Tierwohl, den verantwortungsbewussten Umgang mit Düngemitteln und die immer urbaner werdende Gesellschaft verlangt nach regionalen Produkten. Es sollen nicht mehr das Getreide aus Nordamerika, das Holz aus Karelien und das Soja von abgeholzten Urwaldflächen mehr sein, erklärt der Bildungsfachmann.

Azubis in den Grünen Berufe werden dabei in Brandenburg dringend gebraucht. Durch die Nähe zu Berlin, das stark an Bevölkerung zulegt, wird die regionale Nachfrage von Gemüse, Milchprodukten, Holz, Fischen und vielem mehr steigen. Gute Zukunftsaussichten also.

Das betrifft auch die Entwicklungsmöglichkeiten im Beruf. Denn „einmal Landwirt, immer Landwirt“ muss nicht sein. Wer einen Betrieb übernehmen und nachfolgende Generationen ausbilden möchte, macht eine Meisterausbildung. Es gibt Fort- und Weiterbildungen, etwa um sich und den Betrieb für Öko-Zertifikate fit zu machen. Oder Interessierte folgen Simon Geisler, der Studierender und Landwirtschafts-Azubi in einem ist. Denn was die Bio- und Ökobranche wirklich braucht, davon sind Bilke und Geisler überzeugt, sind nicht nur umweltbewusste Verbraucher, sondern Profis, die wissen, was sie tun.

Kein Abschluss, aber viel Berufserfahrung

IHK-Zertifikat bestätigt Ungelernten und Quereinsteigern berufliche Kenntnisse und Kompetenzen

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Durch „ValiKom Transfer“ können Ungelernte beruflich relevante Kompetenzen nachweisen. FOTO: KURHAN/FOTOLIA

Von Claudia Braun

Sie jobben im Restaurant, sind Quereinsteiger im IT-Bereich oder koordinieren bei mittelständischen Unternehmen den Vertrieb – ohne all dies je gelernt zu haben. Das bedeutet, sie sind „formal unterqualifiziert“. Etwa jeder zweite Arbeitnehmer arbeitet ohne formale Ausbildung als Fachkraft, so eine Studie des Lehrstuhls für Empirische Wirtschaftsforschung der Ruhr-Universität Bochum im Auftrag der Bertelsmann Stiftung.

„Meist verdienen sie weniger als ihre Kollegen mit Berufsausbildung und haben es schwerer, sich in einer anderen Firma auf eine ähnliche Stelle zu bewerben, weil sie ihre Kenntnisse nicht nachweisen können“, sagt Yvonne Meyer von der Industrie- und Handelskammer (IHK) Potsdam. Um das zu ändern und diesen ungelernten Fachkräften ein Zertifikat über ihre beruflichen Kompetenzen ausstellen zu können, startete im Januar das Projekt „ValiKom Transfer“. Für die Teilnehmer kostenfrei, bietet es ein sogenanntes Validierungsverfahren an. „Es besteht im Prinzip aus vier Terminen“, erklärt Meyer, die zuständige IHK-Fachberaterin für das Projekt.

„Zuerst erfolgt ein ausführliches Beratungsgespräch, in dem auf Wunsch auch Weiterbildungsmöglichkeiten besprochen werden können.“ Im Idealfall schreiben die Interessenten zuvor ihren Lebenslauf samt ihrer beruflichen Erfahrungen auf. „Beim Selbsteinschätzungsbogen leisten wir auf Wunsch aber auch Hilfestellung“, so Yvonne Meyer. Dann folgen zwei Gespräche mit einem Berufsexperten sowie der praktische Teil. Wer im Restaurant arbeitet, deckt zum Beispiel eine Hochzeittafel ein. Im handwerklichen Bereich werden typische Tätigkeiten ausgeführt. „Dabei handelt es sich nicht um theoretische und praktische Prüfungen. Die Teilnehmer zeigen einfach ihr Können“, ist es Meyer wichtig zu ergänzen. Denn gerade Studienabbrecher oder Menschen, deren Schulzeit lange zurück liegt, scheuten oftmals Prüfungssituationen.

Am Ende erhalten die Teilnehmer das Zertifikat der IHK, in dem bescheinigt wird, dass sie einige oder sogar alle geforderten Tätigkeiten des jeweiligen Berufs beherrschen. Das Validierungsverfahren stellt nicht nur eine Wertschätzung der Leistung dar, sondern ist für viele auch der erste Leistungsnachweis.

In Potsdam interessierten sich bislang Mitarbeiter aus Büromanagement, Lager und Logistik von 30 bis 50 Jahren für „ValiKom Transfer“ – viele davon sind in beruflichen Umbruchsituationen.

Info - www.validierungsverfahren.de oder bei Yvonne Meyer unter Tel.: 0331/2786439.